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Erotik 2010: Twitter, Facebook und Xing

Oft schießt uns diese Frage durch den Kopf: Sind die Computer wirklich gut für uns? Jedenfalls haben sie unser Leben massiv verändert, steuern unsere Leidenschaften in eine ganz neue Richtung. “Wein, Weib und Gesang” lautete das männliche Lebensideal bei Goethe, “Sex, Drugs and Rock`n Roll” etwas wilder bei Mick Jagger und Co. “Twitter, Facebook und Xing” heißt es heute bei einem wachsenden Teil der fortpflanzungsfähigen Bevölkerung.

Wer sich auf soziale Medien einlässt, wird rasch bemerken, dass sich seine Werte-Koordinaten und sonstigen Verhaltenweisen verschieben. Denn außer Frühstücks-Dudelfunk und Abend-Fernsehen kannten wir bislang keine ständigen Begleiter. Heute jedoch sind, wie eine Umfrage des Online-Elektronikhändlers “Retrevo” ergeben hat, immer mehr Menschen beinahe zu jeder Tages- und Nachtzeit dazu bereit, sich von Twitter, Facebook und Co. bei anderen Verrichtungen stören zu lassen.

Für 16 Prozent ersetzen die sozialen Medien sozusagen den morgendlichen Blick in die Zeitung. Mehr als die Hälfte erklärte, Facebook “muss” zumindest einmal täglich gecheckt werden, zehn Prozent loggen sich alle paar Stunden ein.

Von 1000 Befragten sagten 40 Prozent, dass sie generell nichts dagegen hätten, von Social-Media-Updates gestört zu werden. Jeder dritte Nutzer lässt sich beim Essen unterbrechen, jeder 14. sogar beim Sex. Bei der jüngeren Generation unter 25 Jahren hat schon jeder zehnte nichts mehr dagegen, für Twitter eine Pause beim Sex einzulegen.

Hier wird es tatsächlich bedenklich. Dennoch darf die Frage nicht lauten, ob Computer-Gemeinschaften schlecht sind. Die Gretchenfrage ist vielmehr, ob Sex im Jahr 2010 besser als Twitter ist. Die allgemeinen gesellschaftlichen Trends spielen den virtuellen Netzwerken in die Hände. Viele Ehepaare haben seltener Sex als mancher katholischer Priester. Singles gelten den in soliden Verhältnissen lebenden Menschen als schamlos und sexsüchtig, sitzen aber die meiste Zeit alleine zuhause herum.  Ein Schnäppchen bei Ebay macht sich einfacher als dem Partner das korrekte Ausdrücken einer Zahnpastatube beizubringen.

Und es lebt sich doch leicht an der Seite seiner “Follower”? Diese stellen keine Ansprüche, freuen sich immer, wenn man vorbei schaut. Wie man selbst trinken sie morgens Kaffee, hassen schlechtes Wetter und  mögen ein gutes Abendessen. Und wenn man nach dem 140. Twitter-Update des Tages eingeschlafen ist, träumt man vielleicht davon, eine schöne junge Frau erobert zu haben. Denn zwischen den Kanten eines Laptops und den Hüftknochen eines Next Top Models gibt es ja praktisch keinen Unterschied.


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